ein freies zimmer

2025 musiktheater, kunstraum walcheturm, Zürich

das geklaute gehör

In einer WG ist ein Zimmer zu haben. Erstaunlich vieles ist verhandelbar, der Mietpreis zum Beispiel. Oder der private Platz im Kühlschrank. Weil es darum nämlich nur am Rande geht. Viel mehr interessiert uns, wie wir zusammen «wohnen in der Zeit», im Rhythmus kleiner Lügen. Mit dem Ticken unserer verschiedenen Gehirne. Wie zusammen leben – verschieden und doch einander zugewandt? Wir tasten und rollen uns voran in dieser Sache.

das geklaute gehör

Beteiligte

Alessandro Peter: Stimme, Spiel, Texterarbeitung
Jason Spielmann: Stimme, Spiel, Texterarbeitung
Sandra Utzinger: Co-Regie, Stimme, Spiel, Texterarbeitung

Sebastian Hofmann: Musik, Schlagzeug, Bass
Philipp Schaufelberger: Musik, Stimme, Gitarre, Schlagzeug
Lara Stanic: Musik, Flöte, Elektronik

Jörg Köppl: Konzept, Co- Regie, Musik, Stimme, Texterarbeitung
Claudia Grimm: Texterarbeitung, Libretto
Bianca Góis Barbosa: Produktion
Mirjam Buergin: Dramaturgie, Raum, Choreografie
Léo Collin: Endregie

Willy Strehler: Klangregie, Klang
Jan Guldimann: Lichtdesign, Licht
Niklaus Spoerri: Fotografie

das geklaute gehör

Wir baten den Schauspieler Herwig Ursin um ein Feedback:

"Es war wie wenn ich eingeladen gewesen wäre, bei jemandem privat zu Hause in seinem gar nicht mal so kleinen Swimmingpool im Keller schwimmen zu kommen. Das Haus steht in einem steilen Hang. Rundum Böschung. Der Pool im Keller mit grosszügiger Fensterfront mit Blick raus in die Natur. Man sieht aber nicht viel, ahnt mehr, weil es bald Nacht ist. Im Schwimmbad-Keller ist eine warme Atmosphäre, die Farbe Orange herrscht vor oder: Das Abendrot taucht durch die Fensterfront hindurch die Szenerie in seine Farben. ((an diesem Abend hat im Walcheturm übrigens oben das Abdeck-Tuch über dem Oblicht immer wieder zufällig auf und zugemacht durch den Wind, das war schön))

Ich möchte ins Wasser springen und eintauchen, aber das Becken ist gar nicht bis zum oberen Rand mit Wasser gefüllt, sondern nur so wadenhoch. Hm. Ich spüre logischerweise eine Sprunghemmung und bin auf mich zurückgeworfen. Ohne das ersehnte Eintauchgefühl steige ich nach einer gewissen Zeit die Leiter selber runter und stehe nun, immer noch in den Kleidern, im seichten warmen Wasser. (umziehen war ja nicht nötig, ich konnte bleiben fast wie ich bin, aber barfuss bin ich schon, die Schuhe stehen oben am Beckenrand, nur meine Hose unten hab ich hochgeringelt)

Ich wate (warte) mit spitzigen Ohren ein bisschen auf dem Beckenboden herum, bin ein wenig enttäuscht vom ausbleibenden Badespass durch die Untiefe des Wassers, ich möchte ja eigentlich schwimmen; ich komme mir ein bisschen lächerlich vor, aber das Fussbad tut auch gut! Langsam komm ich aber rein: ich mache mit den Armen trockene Schwimmbewegungen, ich plantsche, es beginnt mir Spass zu machen, ich mach meine Kleider nass, ich möchte mich jetzt am liebsten ins Wasser legen und kraulen, wage es aber nicht. Zum Apero oben im Haus möchte ich trocken erscheinen…. Es ist anders wie Schwimmen, aber doch wie Schwimmen.

In etwa so.

Mir hat die sensible, höfliche fast noble Zurückhaltung und Bescheidenheit der Musik und Szenerie, der Menschen untereinander sehr gefallen. Niemand und nichts tut sich auf Unkosten eines anderen hervor, alles und alle sind gleichwertig und gleichberechtigt, man stellt sich hier nicht in den Vordergrund. (Hm den Text der Lieder hätt ich schon gern besser akustisch verstanden) Ich nehme das wie als die geltenden Hausregeln wahr, ich bin ja auf Besuch, und fühle mich herzlich angehalten, mich auf diese Hausregeln einzustellen.

Fühle mich also angehalten, meine Gedanken, die etwas bewerten könnten, in den Hintergrund zu drängen. Ich tue das gern. Fast ein bisschen eine gelebte Utopie, für eine Stunde, die Zuwendung unter euch und von mir zu euch auf der Bühne ist hier der Vordergrund. Der Horizont, diese Linie wurde nach vorne gezogen und ist zu einem Teppich geworden. Ich gestehe mir insgeheim: Ihr seit mir sympathisch, ich hab euch alle gern auf der Bühne, ich hab mich euch zugewendet. (ohne mit meinen Händen nun ein Herz zu Formen, die Kitschnudel in mir möchte zwar, aber mein strenger Antikitsch will nicht)

Das macht alles vielleicht ein bisschen gleichförmig, die Bergwipfel in der Ferne sieht man nicht richtig, aber ich sehe die Landschaft, ich stehe selber in dieser Landschaft und rundherum ist die Vegetation am spriessen, mit der Bescheidenheit der Natur, mit ihren natürlichen, geduldigen, optisch vielfältigen Naturerscheinungen. Phänomene unter sich.

Und die Wohltat für mich: In dieser Landschaft herrscht nicht der gesellschaftliche Diskurs, sondern hier sehe ich schon ein gelebter Entwurf zum geselligen, inklusiven Zusammensein. Ein Anfang!

herzliche Grüsse

Herwig